Für das Sternenkind Saskia

In Erinnerung an die viel zu kurze Zeit mit unserem Engel
(* 03.10.2010 † 03.10.2010)




Die Diagnose
In der 26. Schwangerschaftswoche spürte Tanja, dass etwas nicht in Ordnung war und sie liess nochmals eine Ultraschalluntersuchung durchführen. Dort bestätigte sich leider ihr Verdacht: "Es sieht deutlich schlecht aus. Diagnose: 'Komplexes Fehlbildungssyndrom'." Die Chance, dass unser Kind die Schwangerschaft überleben würde, stand bei 50% und wenn es so lange durchhält, wird unser Kind gar nicht oder nur eine kurze Zeit leben. Die beiden Wege, die man ihr vorgeschlagen hatte - vorzeitige Geburtseinleitung oder bei der Geburt an die Intensivmedizin übergeben -, kamen für sie nicht in Frage, spürte sie es doch schon strampeln.


Die Entscheidung und der weitere Weg
Die darauffolgende Woche war für uns beide schwer. Gespräche mit unserer Hausärztin, mit Freundinnen und Freunden, der Verwandschaft. Und immer wieder wurde indirekt zum Abbruch geraten. "Je größer, desto schwerer die Folgen." Und dann kristallisierte sich ein, für manche vielleicht nicht nachvollziebahrer, für sie und mich der einzig richtige Weg: Das Kind zur Welt bringen, daheim, im engsten Kreis. Damit sie ihr kurzes Leben spüren soll, dass sie geliebt wird, dass jemand für sie da ist, und - was uns sehr wichtig war - dass sie geborgen einschlafen konnte.
Unsere Hausärztin, eine erfahrene Geburtshelferin, wird bei der Hausgeburt dabei sein und uns bis dahin betreuen, eine erfahrene Hebamme ebenso.
Da merkte ich, dass es die richtige Entscheidung war, denn Tanja wurde im Laufe der folgenden zwei Wochen ruhiger. Es lag aber auch an ihrer Entscheidung, ihren Beruf für einige Zeit erst einmal ruhen zu lassen. Als Fachärztin für Pädiatrie in Ausbildung hätte sie die ganze Zeit nur mit Kindern zu tun und, hatte sie auch vorher sehr viel Spaß an der Arbeit, es hätte sie seelisch zerstört. 
Immer mit den Gedanken daran, was uns erwartet, sind die folgenden Wochen gefüllt von inniger Zuneigung und Freude. Dabei begleitet uns die Vorstellung, dass die Kleine das alles miterlebt, die Freude, die innige Zuwendung. Wir denken gemeinsam über einen Namen nach und entscheiden uns, sie Saskia zu nennen.


Die Geburt und das friedliche Einschlafen
Es ist Anfang Oktober, drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Die Wehen setzen ein und nach einem kurzen Telefonat sind sowohl Ärztin und Hebamme, als auch der gewünschte Kreis der Familie anwesend. Entgegen aller Erwartungen verläuft die Geburt leicht. Und dann das größte Geschenk - Saskia atmet. Sie liegt an der Brust ihrer Mutter und schaut diese mit ihren großen Kulleraugen an, ein Blick, der fragt "Bist du meine Mama?" Saskia strahlt eine Seelenruhe aus, dass es mir fast Tränen in die Augen treibt. Sobald ich sie auf meinem Arm halte, strahlt sie mich regelrecht an und kuschelt sich an mich. 'Das war es wert, alles. Die Nachricht, der Schock, die Ungewissheit in den letzten Wochen. Dieser engelsgleiche Blick, diese Ruhe, diese sanften Berührungen, sie waren es wert', denke ich.
Ihre Großeltern halten sie, bis sich Saskia doch etwas bemerkbar macht. Nicht laut, mehr so ein zaghaftes Auf-sich-aufmerksam-machen nach dem Motto 'Seid ihr mir böse, wenn ich das jetzt tue oder darf ich?' Dann wird Saskia zurück an die Brust ihrer Mutter gelegt, sie trinkt. Saskia strahlt dabei ihre Mutter an und ich sehe, wie erleichtert sie ist, dass Saskia so ruhig ist und nicht leidet. Die Fehlbildungen sind doch deutlich zu sehen und jeder im Raum weiss, dass sie nicht lange bei uns bleiben kann. Nach knapp drei Stunden Lebenszeit, in denen jeder Saskia auf dem Arm hatte, mit ihr redete und sie streichelte, legte ich sie wieder an die Brust ihrer Mutter. Sie trinkt noch etwas, dann schläft sie ein und stirbt, ohne erkennbare Schmerzen.


Was danach ist
Tanja und ich, wir waren erleichtert. Es lief alles so ab, wie es gewünscht war, eine ungezwungene Ruhe erfüllte an diesem Vormittag den Raum. Es war die richtige Entscheidung.
All die Ängste, dass sie leiden könnte, all die Sorgen, sie würde die Geburt doch nicht überleben, wie weggeblasen, als Saskia mit ihrem Strahlen den Raum erhellte.
Wir sind natürlich auch traurig, dass sie uns so früh schon wieder verlassen musste, aber Saskia hat mir mit ihrer ruhigen Art und ihrem Strahlen eines gezeigt:
"Egal, wie kurz oder lange dein Leben ist, wenn du es mit den Menschen verbringst, die du liebst und die dich lieben, dann wirst du mit einem Lächeln aus dem Leben gehn."




Uwe + Tanja